Ob Kremlchef Putin zu Friedensgesprächen zwischen der Ukraine und Russland kommt, bleibt weiterhin offen – und damit auch die Erfolgsaussichten eines Treffens in der Türkei.
Die geplanten Verhandlungen über die Beendigung des russischen Kriegs in der Ukraine werden schon vor Beginn zu einer Nervenprobe. Der Kreml lässt weiter offen, wen er an diesem Donnerstag zu den Gesprächen nach Istanbul schickt.
Die Besetzung der Delegation werde bekanntgegeben, wenn Putin dazu die Anweisung gebe, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dazu am Mittwoch einmal mehr. In der Tat werde die russische Delegation die Ukrainer am Donnerstag in Istanbul erwarten.
Kreml will viele technische Fragen besprechen
Die Äußerungen von Putins außenpolitischem Berater Juri Uschakow deuten darauf hin, dass der Kremlchef eher nicht in Istanbul zu erwarten ist. «Die Delegation wird politische und - ich würde sagen - eine Unmenge an technischen Fragen erörtern. Ausgehend davon wird ihre Zusammensetzung bestimmt», sagte er dem Staatsfernsehen.
Moskau hatte in der Vergangenheit schon deutlich gemacht, dass ein Treffen der Staatschefs gut vorbereitet sein müsse. Diese kämen in der letzten Phase der Verhandlungen zusammen, wenn die technischen Details geklärt sind.
Druck auf Putin wächst
Derweil werden international die Forderungen nach einer persönlichen Beteiligung Putins an den Gesprächen lauter. Selenskyj begründete die Notwendigkeit der Teilnahme Putins damit, dass dieser den Krieg begonnen habe und ihn auch beenden müsse. Der 72-Jährige sei nach 25 Jahren an der Macht in Moskau der Einzige, der Entscheidungen in dem Krieg treffe.
US-Präsident
Inzwischen hat sich auch der brasilianische
Kiew fordert Sanktionen
Wenn Putin nicht erscheine, sei das ein klares Signal für die Welt, dass Moskau keinen Frieden wolle und «nicht bereit für ernsthafte Verhandlungen» sei, schrieb der Chef der ukrainischen Präsidialkanzlei, Andrij Jermak, bei Telegram.
Zudem forderte Jermak Sanktionen gegen Russland, falls der Kremlchef nicht in die Türkei reise. Der Vertraute von Präsident Selenskyj unterstrich außerdem die Wichtigkeit einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. «Ohne diese wird es keine wirklichen (Sicherheits-)Garantien geben», sagte er.
EU-Staaten einigen sich auf neue Russland-Sanktionen
Die Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine scheint außer Reichweite, doch beim Thema Sanktionen haben sich die EU-Staaten bereits auf ein neues Paket verständigt. Es sieht unter anderem eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor, wie Diplomaten nach einer Abstimmung im Ausschuss der ständigen Vertreter der 27 Mitgliedstaaten berichteten.
Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung bestehender Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.
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Insgesamt soll nach der Einigung 189 weiteren Schiffen das Einlaufen in Häfen in der EU verboten werden. Ebenso würden die Betreiber dann auch nicht mehr von Dienstleistungen europäischer Unternehmen profitieren können. Von neuen Ausfuhrbeschränkungen werden dem Plan zufolge rund 30 wirtschaftliche Akteure betroffen sein. 75 weitere Personen und Unternehmen sollen gar keine Geschäfte mehr in der EU machen dürfen und müssen auch Vermögenssperrungen befürchten.
Die neuen Sanktionen sollen an diesem Dienstag bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden und dann sofort in Kraft treten. Geplant sind auch noch weitere Strafmaßnahmen gegen Organisationen und Personen wegen der Verbreitung von Falschnachrichten und Menschenrechtsverstößen.
Nato-Außenminister treffen sich in der Türkei
Zusätzliche Brisanz verleiht die Diskussion um eine Putin-Reise in die Türkei die Tatsache, dass am Donnerstag zeitgleich auch die Nato-Außenminister in dem Land tagen - wenn auch rund 500 Kilometer entfernt in Belek an der Mittelmeerküste. Bei dem Treffen geht es vor allem um die Forderung der USA nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben in den Partnerländern.
Zur Erinnerung: Moskau hatte seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor allem mit dem Nato-Beitrittswunsch des Nachbarlandes begründet. Dies gefährde die Sicherheitsinteressen Russlands. Wegen des Kriegs sind Russlands Nachbarländer an der Ostsee, Schweden und Finnland, der Militärallianz beigetreten - und die europäischen Nato-Länder haben die Rüstungsausgaben deutlich angehoben.
US-Außenminister Rubio nimmt an Gesprächen teil
Aus den USA reist mit Sicherheit Außenminister Marco Rubio zu den Gesprächen in die Türkei. Der Präsident selber hält sich bis zum Schluss offen, ob er kurzfristig für ein mögliches Treffen des ukrainischen Präsidenten
Neben Rubio werden nach Angaben des Weißen Hauses auch die US-Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg zu den möglichen ukrainisch-russischen Gesprächen reisen. Trump hatte nach eigenen Angaben auch eine eigene Beteiligung erwogen, macht dies aber von der Anwesenheit Putins abhängig.
Pistorius: Putin will weiter bombardieren
Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht bei Putin derzeit keinen Willen zu Verhandlungen über eine Waffenruhe. "Er will gar nicht verhandeln, er will weiter bombardieren und kämpfen und Geländegewinne machen", sagte der SPD-Politiker im ZDF-"heute journal" über Putin.
Auf die Frage, ob die Russland angedrohten neuen Sanktionen ein Bluff der Europäer gewesen seien, antwortete Pistorius: "Davon gehe ich nicht aus." Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die anderen Staats- und Regierungschefs hätten sehr deutlich gemacht, "dass es Sanktionen und Reaktionen geben muss und geben wird, wenn diese Waffenruhe von Putin nicht eingehalten oder nicht mal begonnen wird".
Außenminister
Tote und Verletzte bei russischen Angriffen in Charkiw
Tatsächlich gehen die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter. Auch Zivilisten werden weiter in Mitleidenschaft gezogen. So sind mindestens zwei Menschen nach Behördenangaben bei russischen Angriffen in der nordostukrainischen Region Charkiw ums Leben gekommen. Ein 80-jähriger Mann und eine 70-jährige Frau seien bei der Bombardierung der Ortschaft Netschwolodiwka westlich von Kupjansk getötet worden, teilte der Militärgouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, auf Telegram mit. Seinen Angaben nach wurden drei weitere Frauen und ein Mann, alle im Rentenalter, durch den Abwurf der Gleitbomben verletzt.
Neben dem Kreis Kupjansk traf es auch die Gebietshauptstadt Charkiw selbst. Bei einem Drohnenangriff sei eine zivil genutzte Energieanlage getroffen worden, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Menschen wurden demnach bei der Drohnenattacke nicht verletzt. (dpa/bearbeitet von ng)